Polys unter Druck

eine Analyse von Timo Brunnbauer

 

Das Poly Rohrbach schließt, die PTS Grieskirchen verlor in wenigen Jahren mehr als die Hälfte ihrer Klassen (die Oberösterreichischen Nachrichten berichteten darüber). Auch von anderen Polys bekommt man mit: die Schüler*innenzahlen sinken. Warum ist dies so? Ein Blick in die umfangreiche Datenbank der Statistik Austria kann da helfen. Was für die Polys getan werden kann – einige Ideen eines überzeugten Polylehrers.

 

Als das neunte Schuljahr eingeführt wurde, wurden auch eigene Polytechnische Lehrgänge und Schulen eingeführt. Sinn dieser einjährigen Schulform war und ist im Grunde die Vorbereitung auf den Lehrberuf. Doch seit Jahren nehmen die Schüler*innenzahlen ab, obwohl der Bedarf an Lehrlingen in den letzten 20 Jahren gleichgeblieben bzw. sogar gestiegen ist. Gab es 2008/09 noch über 1000 PTS-Klassen in Österreich, waren es mit dem Schuljahr 2018/19 nur noch gut 700. 300 Klassen weniger – 1/3 der Schüler*innen gingen den PTS verloren. Und dies obwohl die Schüler*innenzahl in der Altersgruppe 14-16 insgesamt nicht gesunken ist. Die klassischen Zubringerschulen für die PTS waren die Hauptschulen (jetzt MS) – hier sind die Zahlen ebenfalls signifikant zurückgegangen (seit 2000: 60.000 Kinder weniger, die die Mittelschule besuchen). Die Schüler*innenzahlen an den AHS sind im Gegensatz dazu gestiegen.

 

Ein Knick ab der 9. Schulstufe

Doch kommen viele der Kinder gar nicht über die 4. Klasse der AHS hinaus. Sie beenden ihre Schulpflicht in diesen Klassen oder versuchen den Wechsel zu anderen weiterführenden Schulen, die ohne Matura abschließen. Die Drop-Out Quoten in diesen weiterführenden Schulen sind in den ersten Klassen beachtlich und stimmen bedenklich. Was all diesen Kindern fehlt, ist eine grundlegende Berufsorientierung. Denn diese gibt es nur an den Polytechnischen Schulen mit all ihren Begleiterscheinungen: Nirgendwo sonst gehen die Jugendlichen so häufig auf Betriebsexkursionen oder können in Berufe über mehrere Tage hineinschnuppern. Die Berufsorientierung ist an den Mittelschulen in den letzten Jahren beinahe verdrängt worden – damit einhergehend auch der Wunsch seitens der Kinder, eine Lehre zu machen.

 

Die Matura muss her

Natürlich sollte im Idealfall jedes Kind seinen gewünschten Bildungsweg gehen. Doch gibt es zwischen der Realität und der Vorstellung von höherer Bildung für die eigenen Kinder eine Kluft, die sich nicht immer so einfach überwinden lässt. Der Wert der Matura als Eintrittskarte zur Uni ist unbestreitbar, doch muss die Reifeprüfung ja nicht konventionell an den höheren Schulen passieren. Es gibt auch die Lehre mit Matura, sie wird von einigen tausend jungen Menschen jedes Jahr absolviert (2019: fast 9.000 nahmen an diesem Ausbildungsweg teil).

 

Was tun?

Die PTS steht in einer wechselseitigen Beziehung zu anderen Schultypen. Die sinkenden Schüler*innenzahlen an der (Neuen) Mittelschule wirken sich negativ auf die Polys aus. Unbestritten ist auch die Konkurrenz der Fachschulen (HASCH, HLW, etc), die nach wie vor viel besucht werden. Diese Schulen bieten aber keine wirkliche Berufsausbildung – kein Betrieb wird Abgänger direkt einstellen. Diese jungen Menschen beginnen erst recht wieder eine Lehrer, um sich beruflich zu qualifizieren. Die PTS ist der einzige Schultyp Österreichs, der wirklich auf die Berufsausbildung abzielt. Was es sofort braucht, ist eine gewisse Art von Zugangsbeschränkung der Fachschulen. Ich würde sogar noch weitergehen und einige dieser Schultypen einstellen (z.B. die HASCH). Die PTS selbst könnte den berufspraktischen Bereich noch weiter ausbauen. Schon jetzt gibt es hervorragende Projekte mit Firmen, die auf Lehrlingssuche sind. Das Poly auf zwei Jahre auslegen? Wieso nicht – ich plädiere für eine zehnjährige Schulpflicht. Die Lehre mit 15 Jahren beginnt eigentlich zu früh.

 

Eine attraktive(re) Lehre

Seit vielen Jahren wird an allen Ecken und Enden an der Lehrausbildung herumgeschraubt, doch trotz aller Bemühungen nehmen die Lehrlingszahlen ab. Waren vor 10 Jahren noch 128.000 in einer dualen Ausbildung, waren es mit Stand 2019 20.000 Menschen weniger! Obwohl der Bedarf an Lehrlingen besteht.

 

Die Lehrlingsentschädigung ist seit 2000 stark gestiegen (Maurer, erstes Lehrjahr: € 1.000,-; erstes Lehrjahr kaufmännische Lehre beim Diskonter: € 770,-), doch ist dieser Hebel alleine zu wenig.

 

Vor einigen Jahren gab es eine Umfrage des WIFO oder der WKO (ich habs vergessen), in der Lehrlinge befragt wurden, was sie an ihrer Ausbildung ändern würden. Viele der jungen Leute bemängelten die innerbetrieblichen Strukturen und die Arbeitszeiten. Auch wünschten sie sich ein Mehr an Schule! Hier sollte angesetzt werden: Es braucht keine immer höheren Lehrlingsentschädigungen, es braucht auch keine B-Führerscheine, die die Firmen mittlerweile ihren Lehrlingen bezahlen. Es braucht eine der Altersgruppe angemessene Ausbildung. Es braucht ein Mehr an Schule und ein Weniger an Arbeit im Betrieb. Der Rechtsanspruch auf mindestens zwei Wochen Urlaub während der Sommerferien ist zu wenig! Die Freund*innen, die noch zur Schule gehen, chillen am See, während die Auszubildende von Montag bis Freitag oder Samstag im Betrieb hackelt. Da passen die Ausbildungsform und das Lebensalter nicht zusammen.

 

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