Wenn dem Minister die Wahrheit entfleucht

Dem Minister entkommt eine unangenehme Wahrheit....

… und zwar für die grünen Regierungsmitglieder bzw. Abgeordneten des Nationalrats.

 

Kleine Vorgeschichte: Im Regierungsprogramm wird das Thema Bildung rasch und wenig nachhaltig abgehandelt, es werden manche Versprechungen abgegeben, aber Konkretes bleibt Mangelware. Und was herauszulesen ist, gefällt uns mitunter gar nicht: So ist die mögliche Einführung einer Mittleren Reifeprüfung nur eine weitere sinnbefreite Belastung für uns Lehrer*innen.

 

Grüne Ideen gibt es nur in homöopathischen Dosen der C-Potenz: da ein bisschen Ökoessen für die Kinder in den Schulen, dort ein Placebo bezüglich Chancenindex. Wir haben uns in einem Blog im Jänner ganz aktuell damals mit dem Regierungsprogramm beschäftigt, unsere Analyse ist HIER zu lesen.

 

Die Corona-Pandemie hat vieles zugedeckt, viele eventuelle Gesetzesvorhaben verschoben, wenn nicht sogar aufgehoben. Im Bereich der Bildung kam es zu einer Erneuerung (nebst selbst zusammengeschustertem Distance Learning): Die Summerschools wurden initiiert.

Dies geschah weitestgehend ohne Plan, ohne Einbeziehung der Personalvertretung und ohne zusätzliche Ressourcen! Noch mit Stand Ende Juli fehlten die Lehrer*innen, die diese zweiwöchigen Sommerkurse abhalten sollten (Medien berichteten darüber).

 

Dann sprach Minister Faßmann mit der Presse am Sonntag. Der ORF fasste das Interview, welches sich hinter einer Paywall versteckte, so zusammen:

Für „Erstaunen“ hat ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann bei den Grünen mit einer Aussage zu ihrer Zusammenarbeit gesorgt. Diese „lassen uns die Bildungspolitik machen, die wir für richtig erachten“, hatte er zur „Presse am Sonntag“ gesagt, das sei „ein sehr angenehmer Zustand“.

 

Da Faßmann kein Könner der Kurz'schen Taktik, in salbungsvollen Sätzen nichts auszusagen ist, kann davon ausgegangen werden, dass er die Zusammenarbeit mit den Grünen ehrlich und ernsthaft so einschätzte. Verschlimmert wurde der Eindruck dadurch, dass die Bildungssprecherin Sibylle Hamann, sich sofort bemühte, die Aussage in einer Aussendung richtig zu stellen: „Der Minister und ich haben bisher ein äußerst konstruktives, von wechselseitigem Respekt und Wertschätzung getragenes Verhältnis“, hob Hamann in einer Aussendung hervor. Deshalb habe man auch schon innerhalb weniger Monate viele wichtige grüne Anliegen umsetzen können. Sie betonte etwa die Rolle der Grünen bei der Öffnung der Schulen beim „Lock-down“, der Umsetzung der Sommerschule oder der Schaffung von Ferienbetreuungsplätzen.

 

Um es mit Mick Jagger zu sagen: „It puzzles me...!“

 

Bitte was war noch im Detail der Beitrag der Partei beim Hochfahren des Schulbetriebs? Und wobei halfen die Grünen bei der Einführung der missglückten Summerschools? Das würde uns nämlich wirklich interessieren.

Viel eher erscheint es, dass die ehemals renommierte Journalistin Hamann sich auf den Spuren der unglücklich agierenden Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek befindet.

 

Es ist halt schon etwas anderes, über Bildungsthemen zu schreiben, als diese zu gestalten. Da erinnern wir uns gerne an die Sachkompetenz von Harald Walser zurück, der ja als AHS-Lehrer (und Direktor) tatsächlich von der Materie, über die er sprach, Ahnung hatte.

Diese Sachkompetenz vermissen wir schmerzlich bei Sibylle Hamann. Sie lieferte in der apa-Meldung sogar noch folgende Schlusspointe:

„Offenbar gefallen dem Minister manche grünen Positionen inzwischen schon so gut, dass er sie für die eigenen hält.“

 

Liebe Sibylle, das ist ganz sicher nicht so: Die türkise ÖVP gibt nicht wahnsinnig viel auf die Meinung politischer Mitbewerber. Sollte es nämlich so sein, würde man im Regierungsprogramm wirklich grüne Positionen finden. So müssen wir dir in den Worten des britischen Alltagsphilosphen und Musikanten Sir Michael Philip Jagger zurufen: „You can't always get what you want!“ Von der ÖVP gibts höchstens Globuli. Selbst an deren Wirkung glauben manche.

 

Und als kleiner Tipp zum Ende: Beschädige deine Integrität nicht durch dieses ungeschickte, hilflose und unglaubwürdige Agieren. Zur Not: lass es bleiben.

 

Timo Brunnbauer, Juli 2020

 

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