Austro Orban. Ein Gastkommentar

Dr. Anton Brandner war Gymnasiallehrer in Linz. In seinem Text macht er sich Sorgen um Österreich: er sieht das Land weit nach rechts gewandert. Und er sieht die Stunde des Populisten gekommen. Und zwar in Gestalt des Exkanzlers Kurz.

 

Ich möchte hier das durchgehend autoritäre Politikverständnis des österreichischen Rechtspopulisten Kurz näher beschreiben, weil es meines Erachtens am besten erklärt, in welcher politischen Krise sich Österreich derzeit befindet.

 

Der am 27. Mai 2019 vom Parlament abgesetzte BK Kurz rechtfertigte seine Machtergreifung im Jahr 2017 so:

Die von ihm gestürzte Große Koalition (Mitterlehner-Kern) habe außer Streit nichts zustande gebracht! Er dagegen werde einen „neuen Stil“ in der Politik einführen, wo es keinen Streit mehr geben werde. Und er werde sein Regierungsprogramm auch gegen eventuellen Widerstand, seien es Streiks oder Demos, durchziehen.

 

Was folgte, war eine Kurz-Regierung ohne jede Dialog- und Kompromissbereitschaft mit der Opposition. Dank der Koalition mit der FPÖ - zwischen ÖVP und FPÖ passe kein Blatt Papier, sagte Strache stolz - setzte er dann seine Sozialgesetze ohne Begutachtung und ohne jeden Dialog mit der parlamentarischen Opposition in kürzester Zeit durch.

 

Die neuen Gesetze wurden in glamourösen Pressekonferenzen verkündet, hinter denen der riesige PR-Apparat der Regierung stand. An die Stelle des politischen Ausverhandelns von Gesetzen trat die ästhetische Inszenierung der autoritären Kurz-Gesetze. An die Stelle der Demokratie trat die Ästhetisierung dessen, was die Rechtspopulisten für Politik halten.

Und Kurz lobte stets seine „effiziente“ Regierung, die in kürzester Zeit weitaus mehr „Reformen“ durchgesetzt habe als die GroKo in all den vielen Jahren vorher ...

 

Dann kam die Ibiza-Affäre, das Ende seiner Koalition und das Misstrauensvotum des Parlaments gegen seine defacto ÖVP-Allein-Übergangsregierung, die er - wiederum ohne Dialog mit der Opposition – blitzartig eingesetzt hatte, obwohl seine Partei im Parlament nur über 31% der Sitze verfügt. Drei Oppositionsparteien stürzten daraufhin BK Kurz und sein ganzes Übergangskabinett.

Statt jedoch das Votum des Parlaments zu respektieren, begannen er und seine Partei sofort das Parlament zu beschimpfen, dass es ihn, den „populärsten Politiker Österreichs“ niedergestimmt habe. So schnell schaltete Kurz vom Täter- zum Opfermodus um. Das „Volk“ werde ihn im Herbst quasi rächen und ihn wieder zum BK (mit absoluter Mehrheit) wählen und so dem Parlament zeigen, wo die wahre Demokratie zu Hause sei. „Heute hat das Parlament bestimmt. Aber am Ende entscheidet in Österreich immer noch das Volk!“ (Kurz)

 

Kurz sei als Rechtspopulist weitaus gefährlicher als Strache, schrieb neulich die Frankfurter Rundschau, weil er die politischen Inhalte der FPÖ weitgehend teile, sie aber wesentlich schlauer verkaufe. Am gefährlichsten an Kurz halte ich jedoch den Umstand, dass sein Politikverständnis durch und durch autoritär ist. Was er abwertend immer als „Streit“ bezeichnet, das ist Diskussion, Widerspruch, Opposition, Differenz! Die Differenz ist das Wesen der Demokratie, sagte die berühmte Demokratieforscherin Hannah Arendt nach 1945. Wo es keine Differenz mehr gebe, herrscht Diktatur!

 

Leider teilen sehr viele Österreicher dieses autoritäre Politikverständnis noch immer, weil ihnen - infolge der fehlenden politischen Bildung an Österreichs Schulen - nie das Wesen der Demokratie erklärt wurde! Kurz baut jetzt erfolgreich auf diesem autoritären Politikverständnis auf, wenn er betonte, dass in seiner Regierung so eine große Harmonie herrschte und dass im Gegensatz zur GroKo bei ihm nicht mehr gestritten werde. Das sei sein „neuer Stil“ ...

 

So aktiviert er jetzt das tiefsitzende autoritäre Politikverständnis der Bevölkerung mitsamt dem Führer-Gefolgschaftsprinzip, wo von der Bevölkerung und dem Parlament in Wirklichkeit im Prinzip nur mehr Unterwerfung und Zustimmung erwartet wird! Denn der Führer weiß ohnehin, was für das Volk richtig ist: „Ich werde das tun, was i c h für richtig halte“, betonte Kurz bei jeder Gelegenheit.

 

Kurz gilt derzeit als der erfolgreichste Politiker Österreichs. Seine Umfragewerte steigen und steigen. Er machte nämlich Österreich vor, wie autoritäres Regieren geht! D a f ü r lieben ihn offenbar viele Bürgerinnen und Bürger! Er steht für mich leider nicht mehr auf dem Boden der demokratischen Verfassung, weil er deren zentrale Institutionen ausgehöhlt hat: den Parlamentarismus und die Sozialpartnerschaft.

 

Österreich i s t bereits Ungarn!

 

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