Digitale (Un)Bildung

Zwei junge Profis spielen Hangman - so ging digitale Bildung Anfang der 80er Jahre.
Zwei junge Profis spielen Hangman - so ging digitale Bildung Anfang der 80er Jahre.

 

 

 

Was braucht es wirklich um vorbereitet zu sein auf einen sich verändernden Arbeitsmarkt?

 

 

Viel ist von digitaler Kompetenz zu hören, ja es scheint sogar, dass eine analoge Welt eigentlich keine Daseinsberechtigung mehr hat. Abseits des Digitalen ist alles veraltet unbrauchbar, außer Mode. Kinder müssen schon früh mit dem virtuellen Handwerkskasten umgehen können, wollen sie nicht zu den Verlierern gehören.

 

Was aber braucht es, damit die Kinder für die sich verändernden Gegebenheiten, die sich im Arbeitsleben stellen werden, am besten vorbereitet sind? Die Veränderungen haben vor Jahren begonnen. Für eine Abschätzung möglicher künftiger Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt mit Blick auf die Arbeitsmarktchancen ist es daher hilfreich, den Fokus auf die Beschäftigungsentwicklung in den letzten beiden Jahrzehnten zu richten. Und genau das geschieht auch. Umfangreiche Studien stehen zur Verfügung. Im folgenden wird auf die Untersuchung Arbeitsmarktchancen durch Digitalisierung, eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts vom Dezember 2017, Bezug genommen.

 

 

Natürlich gehen Verschiebungen im Anteil unterschiedlicher Tätigkeitsschwerpunkte nicht ausschließlich auf die Einführung neuer Technologien zurück, dennoch liefert die Analyse der Beschäftigungsstruktur nützliche Anhaltspunkte dafür, welche Veränderungen sich für künftige Beschäftigungschancen auftun können.

 

 

Es lässt sich erraten, dass es ganz besonders die Branchen der Sachgütererzeugung mit Schwerpunkt auf manuellen Routinetätigkeiten sind, die bereits in der Vergangenheit einen massiven Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen hatten: -37% auf 340 000 zwischen 1995 und 2015. Es ist erfreulich, dass viele schwere körperliche, oft gesundheitsgefährdende Tätigkeiten damit der Vergangenheit angehören. Die Beschäftigungschancen werden allerdings denen gehören, die ausreichend grundlegende Basiskompetenzen mitbringen. Aufgrund der bisher stattgefundenen Entwicklung erscheint es unwahrscheinlich, dass sich dieser Trend in der Sachgütererzeugung noch fortsetzen wird, da die Automatisierung von vielen manuellen Arbeitsfeldern bereits sehr weit fortgeschritten ist. Wahrscheinlich ist aber eine Zunahme von Arbeitsplätzen mit höheren Anforderungen an die Qualifikation und Kompetenzen der Arbeitskräfte.

 

 

Auch wenn wir hier nicht das gesamte Arbeitsmarktspektrum darstellen wollen. Ein Blick auf den Dienstleistungssektor zahlt sich aus. Hier wurde die Beschäftigung um 30% (rund +600 000 Arbeitskräfte) ausgeweitet und es gab in keinem Tätigkeitsschwerpunkt Einbußen. Dennoch konnten auch in diesem Sektor jene Bereiche mit höheren Anforderungen an die Qualifikationen und Kompetenzen der Arbeitskräfte besonders von der Beschäftigungsausweitung profitieren.

 

Der Wandel von Arbeitsinhalte und Arbeitsanforderungen ist in Teilbereichen offenbar bereits weit fortgeschritten. Was brauchen die Kinder also in Zukunft, um bestehen zu können? Gefragt ist ein Bündel an Qualifikationen, die die menschliche Arbeitskraft von Robotern merklich unterscheidet. In dieser und anderen Studien des WIFO kann man es nachlesen: Ein unverzichtbarerer Grundstein sind Basiskompetenzen, die im Erstausbildungssystem zu vermitteln sind.

 

 

Überraschend? Oder nachvollziehbar? Oder anders gefragt: Wie entnehmen wir Informationen, die wir dank digitaler Grundbildung gefunden haben? Mittels Copy&paste? Oder wäre es auch am Bildschirm praktisch Informationen durch sinnerfassendes Lesen zu entnehmen? Die Antworten brauchen wohl nicht formuliert werden. Leider erwerben nicht alle SchülerInnen in Österreich bis zum Ende ihrer Pflichtschulzeit die nötigen Kompetenzen. Der Anteil der Leistungsschwachen in Lesen oder Rechnen lag in den letzten zehn Jahren relativ stabil bei rund einem Fünftel aller SchülerInnen.

 

 

Lesen, Schreiben und Rechnen muss gelernt werden, musische Fähigkeiten, die Kreativität muss gefördert werden. Nur kreative Menschen werden auch Antworten in der digitale Zukunft haben. Und dass sich Kreativität am besten vor Bildschirmen entwickelt, muss erst einmal bewiesen werden – es ist zumindest anzuzweifeln. Was wir nicht wollen ist eine Überbetonung von Technik, wenn man von Kulturtechniken spricht. Die digitale Grundbildung darf nicht zulasten von kreativen und musischen Fächern in der Schule gehen. Denn, siehe oben, Kreativität ist nicht bildschirmgebunden. Unsere Kinder sollen ermuntert werden, künstlerisch-kreativ zu sein. Sie sollen auch Freude und Genuß am Lesen, am Zuhören finden. Unsere Kinder sollen sich mit anderen austauschen – nicht nur über WhatsApp!

 

 

 

Unser Beitrag zur Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt ist nach wie vor die Vermittlung von Basiskompetenzen.

 

 

Wir machen uns etwas vor, wenn meinen durch den Einsatz teils zwanghaft gefundener Apps oder Spielchen die Digitalisierung der Schulen voranzutreiben. Das Wichtigste wird vielmehr sein, dass die Kinder in den Basiskompetenzen so sattelfest werden, dass man sie zur Gruppe derer zählen kann, die als weiterbildbar gelten. Es ist WirtschaftsforscherInnen klar und es ist uns LehrerInnen klar: Wenn einfache manuelle Routinetätigkeiten wegfallen, dann muss man die Leute umschulen können. Weiterbildbar und selbstbewusst genug für Weiterbildungsmaßnahmen sind die, die das Grundlegende können, sind die, die lesen können.

 

 

Es geht nicht darum, dass wir uns digitalen Inhalten verschließen wollen. Wir nehmen wahr, dass die Kinder im Umgang mit den ständig wachsenden Möglichkeiten, die sich vor ihnen auftun, Hilfe brauchen. Wir wollen diese Themen im Unterricht aufgreifen. Dafür brauchen wir keine Anweisungen und Befehle. Breitbandinternet wäre ein deutlich hilfreicher als Weisungen. Und in der Zwischenzeit, lasst uns digitale Hilfsmittel einsetzen, wo es uns eine echte Verbesserung bringt oder unsere SchülerInnen unsere Hilfe brauchen.

 

Renate Brunnbauer

 

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